ATELIER
CLAUDIA NEBEL

Projekt: Ich.Hure

Sich zu prostituieren, preiszugeben, ist integrativer Bestandteil unserer modernen Gesellschaft, unseres Lebens. Weit über das hinaus, was wir landläufig und regelmäßig als Prostitution bezeichnen, gelten ihre Spielregeln und ihre einfache Logik. Selbst wenn uns dies auf den ersten Blick verborgen zu bleiben pflegt, gleicht die gedankliche Struktur der Prostitution vielen Phänomenen, welche die Lebenserfahrungen des Alltags prägen. Künstlerinnen und Künstler, die ihre Kunst für den Markt zurechtbiegen, Politikerinnen und Politiker, die ihre Grundsätze den Ergebnissen der Demoskopie opfern oder Anwältinnen und Anwälte, die wider besseres Wissen Unrecht erwirken wollen.

… Vielschichtigkeit des Themas vermitteln und versucht dies in einer dreistufigen Auflösung. So fügt sich das Projekt aus drei Bausteinen zu einer Reise vom gesellschaftlichen Ghetto über das – durch die Künstlerin stellvertretend symbolisierte – Individuum zur gleichsam universellen Gesellschaft.

Am Beginn der Reise steht die Darstellung der eigentlichen oder engeren Prostitution, durch die Porträts jener Menschen, welche sie ausüben oder verrichten. Diese sind typisch für Claudia Nebel schwarz-weiß bzw. hell- dunkel ausgeführt. Der Kontrast wird aber durch Brokatstoffe, welche an die Stelle der sonst verwendeten weißen Leinwände treten gleichsam abgesoftet. Selten hat die Künstlerin behutsamer und gleichzeitig kraftvoller porträtiert. Die Energie dieser Prostituiertenporträts wird zusätzlich gesteigert durch die Entscheidung, schon unter diesen großformatigen Arbeiten auch ein Selbstbildnis der Künstlerin zu integrieren. Dies ist gleichsam der Beginn der zweiten Stufe, welche die Erkenntnis ausdrückt, dass Prostitution zu jedem Menschen gehört. Kern dieser zweiten Ebene ist die Videoproduktion der Künstlerin, die in einem gewissen Sinne aus dem Selbstporträt erwächst. Der Film zeigt Claudia Nebel als Prostituierte. Das Eintauchen in diese vermeintlich periphere Welt, und es zu akzeptieren, ist Symbol für die Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse, welche die strukturellen Schemata der Prostitution zur Normalität werden lassen.

Die dritte Ebene stellen Skulpturen in Form von gekreuzigten Puppen dar. Sie sollen nicht nur den Betrachter an die Ächtung, Ausbeutung und Diskriminierung von Prostituierten denken lassen. Sie vereinnahmen das Publikum und nageln es selbst ans Kreuz. Wenn alle Menschen permanent Gefahr laufen, sich zu prostituieren, wird auch die gesellschaftliche Acht zum Gemeinschaftserlebnis und so das Paradoxe an der Diskriminierung verdeutlicht.