ATELIER
CLAUDIA NEBEL

Projekt: Styria meets Syria

Vor dem gesellschaftlich differenzierten Hintergrund Syriens soll die künstlerische Arbeit in scheinbar einfacher Symbolik einen Bogen über religiöse Vielfalt schlagen und das verbindend zivilisierte Humane gleichsam als Spiegel aufkeimenden archaischen Segmentierungen gegenüberstellen.

… von fotografischen Selbstporträts her, die ein sich wandelndes Accessoire – das Tuch – als gemeinsame Konstante in sich tragen, konstant und doch in erheblicher Veränderung. Die von der Künstlerin mit eigenen Haaren bestickten Tücher verleihen jedem Porträt seine Individualität. Bestickt sind die Tücher mit den Symbolen der drei großen monotheistischen Religionen – Islam, Christentum, Judentum. Einmal Kopftuch einmal Halstuch oder ein anderes Mal als Schal verwischen die mit unterschiedlicher religiöser Symbolik kodierten Tücher die wahrgenommenen Unterschiede und verleiten zu ungeahnten Assoziationen. Sie mahnen, drängen nachgerade zu einem Bekenntnis zur Toleranz. Diese Toleranz soll als Anleitung für die Zukunft verstanden werden, ohne darüber hinwegtäuschen zu wollen, dass oftmals zwischen Toleranz und Beliebigkeit eine gefährliche und herausfordernde Gratwanderung zu beschreiten ist.

Durch den Einsatz der eigenen Haare wird im Zusammenwirken mit den Porträts auch die individuelle Einzigartigkeit des Menschen in den bestehenden religiösen und insgesamt gesellschaftlichen Gemengelagen betont. Der einzelne Mensch tritt vor den Hintergrund von Tradition und Sozialisation.

Ich begreife Syrien als künstlerische Herausforderung. Vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen Orient und Okzident, dem zunehmenden Misstrauen westlicher Gesellschaften gegenüber dem Islam und dem arabischen im allgemeinen scheint Syrien ein besonderer Brennpunkt zu sein. Von amerikanischer Seite als Mitglied der „Achse des Bösen“ denunziert und doch quasi-laizistisches Bollwerk gegen den Islamismus, uralte kulturelle Tradition und doch aufgeklärte gesellschaftliche Strömungen, sunnitische Bevölkerungsmehrheit, alawitische Elite und christliche Minderheiten – ein wahrlich aufregend buntes zum Teil widersprüchliches Bild.

Schon meine bisherigen Aufenthalte in der arabischen Welt übten eine gehörige Faszination auf mich aus. Nun ginge es mir um das „Einfangen“ dieser kaleidoskopartigen Wirrnis und die differenzierte Darstellung der Vielschichtigkeit dieses Teils der Welt. Auf dem Boden des kulturellen Reichtums einer der ältesten kontinuierlich besiedelten Städte der Welt, Damaskus, ginge es um die Schaffung von Neuem, um das Stellen von Fragen und das Versuchen von Antworten.

Meine Arbeit versucht die Komplexität gesellschaftlicher und kultureller Phänomene durch die Anfertigung von Porträts einzelner Menschen oder von bewussten oder scheinbar zufälligen Menschengruppen gleichsam zu dekodieren. Kontexte werden aufgesplittert und wieder zusammengefügt oder neu interpretiert. Im Mittelpunkt der konkreten Arbeit stünden die Herausforderungen interkultureller Übersetzung und das Herstellen von Verständniszusammenhängen zwischen Ost und West.